Der ehemalige Biesdorfer Schüler Franz Meures (Abitur-Jahrgang 1970) ist heute Rektor des Collegium Germanicum et Hungaricum in Rom. In einem offenen Brief würdigt er Josef Beyer, seinen früheren Lehrer am Biesdorfer Gymnasium.

Liebe Biesdorfer und ehemalige Schulfreunde,

… Zuletzt sah ich Josef Beyer auf dem Klassentreffen des Jahrgangs 1970 am 17. Juni 2000 in Irrel. Wie selig war er damals, uns wieder zu treffen, denn wir waren 1962 die erste Klasse, mit der er selbst in Biesdorf als Lateinlehrer und Klassenlehrer begann. Er blieb bis zum Abitur unser Klassenlehrer. Beim Klassentreffen 2000 bot er allen das „Du“ an - eine unglaubliche Sache bei einem so alt-ehrwürdigen Magister. Er verstarb am 24. 10. 2001 im Alter von 77 Jahren.

Sein Bruder Alois Beyer lud mich im Dezember 2004 ein, ihn in Koxhausen, dem Heimatort der Familie, zu besuchen. Er wollte mir noch einige Dinge aus dem Nachlass von Josef Beyer schenken, u. a. ein sehr wertvolles lateinisches Missale (Messbuch des Priesters) aus dem Jahr 1962, das sich der damalige Assessor Josef Beyer kurz vor der Liturgiereform gekauft hatte. Er war Laie, muss aber für dieses Priestermissale fast ein Monatsgehalt investiert haben. Ich konnte auch zum Grab des von mir so hoch geschätzten Josef Beyer gehen und zusammen mit der Familie dort ein Vater unser beten.

Als kleines Denkmal für Josef Beyer möchte ich hier eine Nikolausrede abdrucken, die ich im Dezember 1969, ein halbes Jahr von unserem Abitur, in alten Hexametern gedichtet habe. Nikolaus war damals Herbert Zimmermann. Er sprach den damaligen Oberstudienrat Josef Beyer, der zur Bühne zitiert worden war, in folgender Weise an:

„O, wen erblicket mein Auge, / welch edle Gestalt der Antike,
mächtig in Worten und Weisheit / steht hier nun ein Freund aller Götter!
Ach, welch entsetzliches Unrecht / ereilt ihn, der fast schon unsterblich;
denn seine geistige Größe / verkennen die Scharen der Schüler.

Wenn er des Tacitus Texte / erläutert in herrlichen Worten,
wenn philosophisches Denken / erklärender Worte bedürfte,
schlafen die Geister der müden, / römerverachtenden Schüler.
So bleibt sein eifriges Mühen / täglich von Neuem vergebens.

Sein unglaubliches Wissen / schöpft er aus Bergen von Büchern.
Deren erhebliche Anzahl / wächst noch von Monat zu Monat.
Schränke und Bücherregale / beginnen seit langem zu bersten.
Seine verdunkelte Wohnung / ist längst schon Opfer derselben.

Doch hoher Drang nach der Weisheit / erfähret bei ihm keine Grenzen,
dass drum die heilige Bettstatt / muss schon als Bücherbord dienen.
Solche einer Menge von Lettern / erlagen die feurigen Augen,
dass er mit gläserner Brille / nun Abhilfe suchet zu schaffen.

Wenn er nach qualvollem Morgen / in den Gebäuden der Schule,
nach dem vergeblichen Kampfe / die Schüler Methode zu lehren,
strebt mit beschwingetem Fuße / hinauf zu der heimischen Hütte,
freut sich im innersten Busen / sein Herz auf die Schätze der Bücher.

Bald nach dem eiligen Mahle / ergibt er sich ihrem Genusse,
sauget das Wissen der Denker / in sich hinein mit Behagen.
Endlich beim dämmernden Lichte / steigt er hinab zu den Schatten.
Dort trifft er seine geliebten / Autoren aus uralten Zeiten:

Sophokles, Seneca, Platon / Livius, Cato und Caesar
findet er fröhlich vereinet / unten im schrecklichen Hades.
Daraufhin küsst ihn die Muse / die liebliche Tochter Kronions,
führt ihn hinauf zu den Göttern / zu der Unsterblichen Reiche,

zeigt ihm die Schätze der Weisheit / gibt ihm die wahre Erkenntnis.
Schließlich doch - völlig ermüdet - / geht er sehr spät erst zu Bette.
Selbst dann im Schlaf noch umarmt ihn / die Muse in göttlichen Träumen

. . .

Morgens früh warten die Schüler / auf den gestrengen Magister.
Er, der er sonst doch so pünktlich, / scheint seinen Grundsatz zu brechen.
Und es beginnet die Stunde / ohne dass er schon erschienen.
Zeus selbst, der mächtge Direktor, / weiß keine Gründe des Fehlens.
(damals Direktor P. Büllesbach MSF)

Bangen beschleicht die Gemüter, / man fürchtet schon um den Gelehrten.
Er jedoch ruht noch im Bette, / und ahnt nicht die Späte der Stunde.
Endlich erweckt ihn Aurora, / die rosengefingerte Röte.
Und er erwachet mit Schrecken / ob des verspäteten Schlafens,
schreitet nun eilig zur Schule, / Zeussens Gegrolle befürchtend.
Der jedoch übet die Nachsicht, / froh, ihn gesund noch zu sehen.

Ebenfalls ich will nicht zürnen, / Du edelster Freund aller Götter.
Denn das Geläster der Schüler / war schon genut Dir der Strafe!
Doch dass es nicht mehr geschehe, / schenk ich Dir dies Chronometer,
dass Du die Pünktlichkeit wahrest, / die Dir so hoch steht in Ehren!“

 

In dankbarem Andenken

P. Franz Meures SJ

Rektor des Collegium Germanicum et Hungaricum
Via di San Nicola da Tolentino, 13
I-00187 Roma